Zeit und Geld

Vor etwas mehr als zweitausend Jahren schrieb der römische Komödiendichter Plautus ein Stück, in dem ein Brief vorgelesen wird und zwar mit folgendem Inhalt: „Lieber Quintus, früher konnte ich meine Freunde auf dem Forum treffen, wann immer ich wollte. Ich bin zu Bett gegangen, wenn ich müde war und habe gegessen, wenn ich mich hungrig fühlte. Aber heute, lieber Quintus, heute, muss sich sogar mein Magen nach der Uhr richten!“  Das war ungefähr im Jahr 218 vor Christi Geburt. Hintergrund des Lamentos war die Tatsache, dass griechische Gelehrte die Sonnenuhr, die schon bei den Babyloniern in Verwendung stand, derart verbessert hatten, dass man eine solche auch mit sich tragen konnte. Damit war nun– zumindest solange die Sonne schien – an jedem Ort Roms eine exakte Bestimmung der Zeit möglich. Hatte man sich früher getroffen, wenn die Sonne unterging  oder im Zenit stand, oder wenn das Forum halb voll Menschen war, so gab es mit dieser neuen Art der Zeitbestimmung keine Ausrede mehr, wenn man zu spät kam. Im 17. Jahrhundert hat der niederländische Physiker, Mathematiker, Astronom und Uhrmacher Christiaan Huygens die Hemmung für die Pendeluhr erfunden. Damit war es möglich Sekunden und Minuten zu messen und eine immer genauere Einteilung der Zeit war die Folge. Aber schon 1325 hat der damalige Papst Johannes der XXII, all denjenigen den Kirchenausschluss angedroht, die sich mit der Einteilung der Zeit beschäftigen, und hat das folgendermaßen begründet: Wer die Zeit beherrscht, beherrscht die Menschen! Wie recht er damit hatte, spürt jeder heutzutage am eigenen Leib. Im Zeitalter der Maschinen wurde die Uhr zum Herrschaftsinstrument. Wer unsere Zeit bestimmt, hat im wahrsten Sinne des Wortes unser Herz in seiner Hand. Zeitsysteme sind immer auch soziale Systeme, die kontrolliert werden und eingehalten werden müssen. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer. Wir werden von Kindesbeinen an darauf trainiert, dieses System, das unser gesamtes Leben bestimmt, zu tolerieren und schon in der Schule zu absolut genauem Umgang mit der Zeit erzogen. Zu spät kommen wird sanktioniert. Wir entwickeln ein Zeitgewissen (zumindest alle, außer meiner Frau und meinem Bruder ) und dieses Gewissen ist durchaus mit religiösem Gewissen konvertibel. Im angloamerikanischen Raum, mit deren puristisch calvinistischem Hintergrund, ist das Vergeuden von Zeit eine Sünde und Erfolg und Reichtum deshalb Zeichen eines gottgefälligen Umganges mit der Zeit. Wenn wir das Konditionierungssystem durchlaufen haben und pünktlich wie die Uhr sind, kann jeder mit Macht und Geld unsere Zeit kaufen. Natürlich versuchen die meisten Menschen ihre Zeit an den Höchstbietenden zu verhökern. Aber das hängt von Angebot und Nachfrage ab. Und in Zeiten schlechter Konjunktur bekommt man dann halt grade mal ein kleines Schmerzensgeld für acht oder mehr Stunden sinnentleerte Arbeit. Der Käufer wird natürlich dafür sorgen, dass diese Zeit gewinnbringend genützt wird. Also versucht er so viel Arbeit wie möglich in der gekauften Zeit verrichten zu lassen. Zeit ist Geld und wer diesem rigiden Muster nicht folgen kann, wird ausgesondert. Leistungsverweiger, Faulenzer, Tagediebe …..,Aussteiger im besten Fall. Eine große Anzahl von diffamierenden Schimpfwörtern steht uns zur Verfügung, um Menschen, die dieses Tempo nicht halten können oder wollen, zu stigmatisieren. Keiner will zu denen gehören. Da schon lieber burn out- Syndrom, Herzinfarkt, und früher Tod. Aber dafür mit einer Menge unnützer Dinge gestorben. Die Zeit wird bewirtschaftet und es bilden sich in der Gesellschaft Inselstrukturen mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Finanzwirtschaft hat eine andere Geschwindigkeit als die Demokratie. Deshalb versucht die Wirtschaft auch den langsamen demokratischen Prozess der Meinungsbildung zu unterlaufen und mit geheimen Verträgen wie TTIP und CETA ihre eigenen, von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelten Regionen zu schaffen, in denen der mühevolle, aber qualitativ gute Weg der Demokratie keinen Einfluss hat. Wer schimpft am meisten über den Stillstand und, dass sich die Regierenden nie auf irgendetwas einigen können? Die Leute aus der Wirtschaftskammer. Denn der Wirtschaft geht es ausschließlich um Geld. Aber Geld ist letztendlich nichts anderes als geronnene Zeit. Geld ist ein Speichermedium für Zeit, das wir in der Zukunft gegen Dinge oder aber für die Zeit anderer eintauschen können. Geld ist andererseits genau wie die Zeit selbst etwas, das nur auf Grund einer gesellschaftlichen Übereinkunft funktioniert. Zeit an sich, so wie unsere Uhren sie darstellen, also Zeit, die im Ticken der Sekunden vergeht, gibt es nicht. Sie ist letztendlich eine Fiktion, mit der unser Bewusstsein sich im Leben verankert und keine absolute Größe. Geld ist ebenfalls eine Fiktion, ein Versprechen an die Zukunft, das morgen schon, beim Platzen der nächsten Finanzblase aufhört zu existieren. Ob es sich deshalb lohnt, unsere Zeit für immer mehr Geld zu vergeuden und damit unser aller Zukunft zu gefährden? Mit der Steigerung unseres Tempos wird immer mehr Zukunft verbraucht. Mehr Ressourcen, die in Millionen von Jahren entstanden sind werden vertan und auch die Abfälle belasten die Zukunft. Wir stehlen die Zukunft und vergessen dabei: Die Welt hat keine Replay Taste.

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