Elfi’s Selfis

Porträtbilder waren in früherer Zeit den Reichen und Notabeln vorbehalten. Nur wer über viel Geld verfügte konnte es sich leisten, einen Porträtisten zu engagieren und sich in Öl malen zu lassen. Die Leute, die sich darauf verstanden ein lebensechtes Bild zu malen, waren damals schon hochbezahlt. Tizian, Rembrandt, Goja oder Albrecht Dürer standen in den Diensten von Päpsten und Königen. Erst mit der Erfindung der Fotografie wurde es so nach und nach auch für den einfachen Bürger erschwinglich sein eigenes dauerhaftes Konterfei zu betrachten. Vielleicht gerade weil es früher so kostspielig war und heute so wohlfeil ist, scheint das eigene Bild wichtiger denn je zu sein, um sich der eigenen Existenz zu versichern. Während all dem affenartigen Trubel, dem wir uns täglich aussetzen, gelingt die bewusste Selbstwahrnehmung genau wie die Selbstbestimmung immer weniger. Wir fühlen uns auf unsere Funktion reduziert, wir verlieren uns aus den Augen. Aber das Foto von mir bestätigt unzweifelhaft, dass ich noch da bin und ich kann das Bild mit mir herumtragen oder wenn ich will an alle meine Freunde schicken, die mir dann auch, indem sie „gefällt mir“ klicken, bestätigen, dass es mich gibt, dass ich wahrgenommen werde und somit eine Rolle im sozialen Leben spiele. Mit der digitalen Photographie ist die Selbstporträtapokalypse über uns hereingebrochen. Zum Beispiel Elfie. Ich bin mit ihr befreundet – eigentlich bekannt – befreundet ist etwas anderes, aber man sagt heute so – eine Facebook Freundschaft. Elfie hat ein Smartphone und benützt es auch. Sie fotografiert alles, nicht zuletzt sich selbst. Elfie vor, hinter, über, unter, zwischen oder auf irgendetwas. Dazu eine umfangreiche Dokumentation ihrer Lieblingsspeisen, die sie vor dem Verzehr ablichtet und umgehend ins Internetz stellt. Elfi alleine, mit Freunden, mit Freundin, mit Freund. Elfi mit Auto, mit Hund, mit Boot, mit Rom mit Graz, mit Chicago, mit Helm und mit neuem Kleid oder, weil sie so ein Scherzkeks ist – mit selbst fabriziertem Kopfschmuck oder als Minnie Maus im Disneyland. Und das rund um die Uhr, jeden Tag lässt sie uns an allem teilnehmen, was ihr so widerfährt. So nach und nach weiß jeder ziemlich alles über sie. Sie ist ein offenes Buch, sie hat keine Geheimnisse mehr und wenn, dann können wir uns inzwischen denken welche. Elfi ist allerdings bildhübsch, das macht es erträglich, aber das weiß sie natürlich, wenn sie in Peking oder New York auf den Auslöser drückt und Boris in Kiew und Ugo in Rom seufzen: Ah, ein Selfie von Elfi.

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Ein Gedanke zu “Elfi’s Selfis”

  1. Die Menschen heutzutage sind zunehmend, übersättigt, überreizt und überfordert. Ene Urlaub auf der Alm, eine Auszeit im Kloster oder eine Überlebenswoche im Wald, helfen diesen Menschen wieder sich selbst zu spüren bzw. zu finden und ihre natürlichen Sinne zu schärfen. Ein bißchen Askese und Entzug von den ganzen Reizüberflutungen hat noch niemandem geschadet.
    Mit Facebook und Twitter und den ganzen anderen Selbstdarstellungszsenarien habe ich nicht viel am Hut(wo bleibt da der Reiz, einen Menschen kennenlernen zu wollen, wenn schon alles wie ein offenes Buch vor einem liegt), mit der fortschreitenden Technik auch nicht wirklich, Übertechnisierung ist nicht das Maß aller Dinge und könnte zu Denkfaulheit und Unselbständigkeit führen. Gerade in der jetzigen Zeit(des Erdogan, Putin, Donald Trump usw. usf.) ist kritische Betrachtung bzw. Hinterfragung bzw. Beobachtung das Gebot der Stunde, überhaupt der gesamten Politik gegenüber.

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