Stell dir vor, du heißt Stéphane Bationo. Stell dir vor du lebst in Burkina Faso und zwar in der Nähe der Provinzstadt Dedougou, in der Ortschaft Nouankui knapp 6 Kilometer von der Provinzhauptstadt entfern. Du bist 22 Jahre alt und lebst mit deinen zwei jüngeren Brüdern, einer Schwester und deiner Mutter bei deinem Onkel. Dein Vater ist gestorben als du 11 Jahre alt warst. Dein Onkel, der sich jetzt um insgesamt 8 Kinder kümmern musste, konnte das Schulgeld nicht mehr aufbringen, denn die paar Felder, die ihm und deinem Vater gemeinsam gehörten, werfen gerade so viel ab, dass die Familie überleben kann. Du hast also in der 5. Klasse die Grundschule verlassen und warst dann mit 12 Jahren Erntehelfer auf einem Baumwollfeld. Die paar hundert CFA die du dort bekommen hast, hast du deiner Mutter gebracht, damit sie Kleidung für deine Geschwister kaufen konnte. Mit 15 Jahren bist Du mit drei Freunden in den Norden nach Kalsaka gegangen. Denn ihr habt gehört, dass dort in den Goldminen Geld zu verdienen ist. Du hast, weil du noch zu jung warst, keine richtige Anstellung gefunden, aber illegal bei einem Libanesen in einer der vielen kleine Goldgruben gearbeitet. Du hast auch gesehen was dort mit den Menschen passiert. Damit die großen Minenunternehmen Zugang zum goldhaltigen Land erhielten, wurden seit 2009 rund 14 000 Menschen umgesiedelt. Du hast eine Frau kennen gelernt, die erleben musste, dass eine Straße mitten durch ihr Land gebaut wurde. Die Straße wurde 2014 als Zugang zur Mine Kalsaka gebaut. Wegen des Straßenwalls kommt es bei starkem Regen zu Überschwemmungen in ihren Feldern und ihre Ernte verfault. Du hast auch von einem Mann gehört, der wegen der gleichen Straße heute kein Land mehr hat, um seine Familie zu ernähren. Die Straße wurde gegen seinen Widerstand auf seiner Landparzelle gebaut. Der Mann hatte sich zuvor geweigert, sein Land für die Mine zu verkaufen, denn Landverkauf ist in Burkina Faso nicht üblich. Land wird an die Nachkommen weitergegeben. Du hast gesehen, dass Kinder mit fünf Jahren ihren Eltern helfen mit einem schweren Hammer Steine zu zerschlagen und dass es, wenn sie sich dabei verletzen, keine Behandlung für sie gibt. Wovon du nichts weißt ist, dass das Gold aus den staatlich lizenzierten und industriellen Minen Essakane, Bissa und Kalsaka zu 90 Prozent in der Schweiz verarbeitet wird oder wurde, und zwar bei der Firma Metalor am Neuenburgersee und dass ein Großteil der Gewinne in Europa oder in Kanada bleibt. Du hast also mit bloßen Händen Gold aus einer ungesicherten Mine gegraben und in einem Vierteljahr 30 Dollar verdient. Das Meiste hast du gespart für deine Mutter und deine Geschwister. Um zehn Dollar hast du dir Schuhe und ein Hemd gekauft, weil du nur noch Fetzen am Leib getragen hast. Dann sind zwei deiner Freunde beim Einsturz einer Mine, hundert Meter unter der Erde erstickt und du hast genug gehabt von der Schinderei und der täglichen Angst, wenn du in den engen Schacht gekrochen bist. Ein kanadischer Konzern, der in Kalsaka besser gesicherte Goldminen betreibt und der einen Großteil der Goldproduktion und der Gewinne aus Burkina Faso für sich behält, wollte dich aber nicht nehmen, weil du zu jung bist. Du hast zwar behauptet du seist schon achtzehn Jahre alt, aber es hat nichts genützt. Du hattest Glück und bist mit einem freundlichen Lastwagenfahrer, der dich mitgenommen hat, zurück nach Nouankoui. Du hast erfahren, dass deine Schwester vor drei Monaten an einer Blindarmentzündung gestorben ist, und dass es bald nichts mehr zum Essen gibt, weil die Trockenheit einen Großteil der Ernte vernichtet hat. Arbeit auf den Baumwollplantagen gab es auch nicht mehr, weil sich die Baumwolle aus Burkina nicht mehr verkaufen ließ, weil gegen den staatlich geförderten Anbau von zum Teil gentechnisch veränderter Baumwolle in anderen Ländern, vor allem in Amerika, China und Indien konnte man preislich nicht mithalten. So bist du jeden Tag nach Dedougou marschiert und hast dort auf dem Markt ab und zu etwas für einen Händler erledigen können und dabei ein paar CFA verdient. Auf dem Weg nach Hause bist du oft hungrig an einem Laden vorbeigekommen, in dem es Fernsehgeräte gab und du hast dort zugehört und jemand hat gesagt, dass es in Europa immer zu essen gibt und, dass die Europäer an einem Tag mehr Brot wegwerfen als sie essen. Was würdest du also tun, wenn du Stéphane Bationo wärst?