Sao Tome und Principe ist ein Inselstaat vor der Westküste Afrikas. Er liegt im Golf von Guinea, ca. 250 Kilometer vor der Küste Gabuns. Ein vergessenes Land. Bei uns höchstens bei Historikern dafür bekannt, dass die Portugiesen, noch am Beginn des 20. Jahrhunderts, mit Sklavenwirtschaft die größten Kakaoproduzenten der Welt waren. Erst 1961 wurde die Zwangsarbeit abgeschafft und Farbige erhielten das Bürgerrecht. Bekannt ist Sao Thome und Principe auch, durch die im Mai 1919 durchgeführte Sonnenfinsternis-Expedition, die experimentell die Richtigkeit von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie bewies. Vor ungefähr 10 Jahren war ich dort mit einer Gruppe meiner Freunde zum Tauchen. Natürlich haben wir auch die Insel Sao Thome erkundet. Im Hochland, verborgen im dichten Tropenwald, und bei Google Earth nicht sichtbar, liegt eine mehrere Quadratkilometer große Abhörstation der Amerikaner. Soweit das Auge reicht, riesige Parabolantennen, die alles, was über Afrika und den Atlantik an Information geht, auffängt und auswertet. High Tech der Superlative. Umso erstaunter ist man, wenn die Bootsmannschaft entsetzt das Ansinnen zurückweist, uns zu einem Nachttauchgang hinaus auf das Meer zu bringen. Ob wir das nicht wüssten, fragen sie, dass in der Nacht die Geister der Ahnen über dem Wasser schweben und man schwer erkranken kann, wenn sie einem begegnen? Auf diese Argumentation sind wir nicht vorbereitet und so lassen wir es dabei bewenden. Getaucht wird nur am Tag.
Dass böse Mächte an Krankheiten schuld sind, war auch in unseren Breiten noch im 18. Jahrhundert eine erwiesen Tatsache. Die letzte Frau, die wegen so einem Vergehen als Hexe hingerichtet wurde, war Anna Göldi aus Glarus in der Schweiz, die wegen Schadzauber an einem Kind am 13. Juni 1782 enthauptet wurde. Mehr als 60 000 Frauen sind im 16. und 17. Jahrhundert von Staat und Kirche deshalb getötet worden. Der griechische Arzt Galen, der um 200 n.Chr. in Rom wirkte, hatte mit bösen Geistern nichts am Hut. Gemäß der damals gültigen Humoralpathologie, galt eine falsche Mischung der Körpersäfte als Krankheitsursache und die konnte durch äußere Einflüsse bewirkt werden. So kam er zu dem Schluss, dass die in Rom wiederkehrenden Fieber Epidemien, von den Ausdünstungen der pontinischen Sümpfe, in den Niederungen zwischen Roms Hügeln, verursacht waren. Mala Aria – schlechte Luft, nannte man das. Das Plasmodium Malariae war noch nicht bekannt, aber Galen war auf der richtigen Spur. Hätte er ein Mikroskop gehabt, er hätte die Ursache entdeckt. Galen war Leibarzt von Kaiser Marc Aurel und wie dieser aufgeklärte Monarch, der uns in seinen „Selbstbetrachtungen“ die Prinzipen der Vernunft und des Gemeinwohles vermittelt, ein tiefgründiger Denker. Er war in seinem Denken moderner als mancher heutige Zeitgenosse und um Erkenntnis bemüht. Die großen Pestepidemien im Spätmittelalter, die in Europa Hunderttausende dahinrafften, wurden zum Strafgericht Gottes erklärt und die Kirchen profitierten massiv von Angst und Verunsicherung der Gläubigen. Heute kostet ein Antibiotikum, mit dem man die Pest effizient behandeln kann gerade mal 5 Euro und ist in jeder Apotheke verfügbar. Verdanken können wir das einzig und alleine der Wissenschaft. Dass Frauen nicht mehr Opfer der Inquisition werden, ist der Erkenntnis geschuldet, dass es keine Magie gibt. Und wenn heute jemand behauptet, er könne mit einem magischen Ritual verhindern, dass ein Haus in Brand gerät, dann kann man mit einer brennenden Fackel umgehend das Gegenteil beweisen. So einfach ist das. Wie kann man es sich also erklären, das in Österreich, im Jahre 2018 ein Energetiker, der sich bei seinem Wirken auf etwas nicht Nachvollziehbares – nämlich die sogenannte feinstoffliche Ebene beruft – und sich somit jeder wissenschaftlichen Überprüfung entzieht – 95 000 Euro von staatlichen Stellen, für die Errichtung eines imaginären Schutzkreises um ein Krankenhaus erhält? Wie kann man erklären, dass eine Energetikerausbildung, die auf vollkommen naiven, sektiererischen Phantasien beruht, von der Wirtschaftskammer bezahlt wird, während gleichzeitig an allen Ecken und Enden – vor allem aber in Sozialbereich – gespart wird. Wo ist da der Unterschied zu Sao Thome oder zum Mittelalter? Komm mir jetzt ja keiner damit, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt! Dieses Zitat aus Shakespeares Hamlet, ist das übliche Totschlagargument, wenn den Halbgebildeten sonst nichts mehr einfällt. Es beweist aber gar nichts, weder, dass Schamanen, die einen von der Wirtschaftskammer teilfinanzierten Kurs belegen, dann in andere Welten reisen, noch, dass Bachblüten eine Wirkung haben. Es ist übrigens auch noch falsch übersetzt, denn im Original sagt Hamlet zu Horatio „There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.“ //„Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horazio, als in unserer Philosophie geträumt werden“. Das kann man für das 16. Jahrhundert unschwer nachvollziehen, denn die hatten weder ein Handy noch wussten sie was ein Stromgenerator macht oder wie ein Elektronenmikroskop funktioniert. Naturwissenschaftliche Zusammenhänge waren weitgehend unbekannt. Das ist also ein Satz, den eine von Shakespeare erfundene Figur in einem Theaterstück zu einer anderen sagt. Shakespeare hat niemals Allgemeingültigkeit für diesen Satz beansprucht. Und trotzdem wurde dieser Satz zur letzten Ausflucht der Räucherstäbchenfraktion in ganz Europa, mit dem sie die eigene Begrenztheit und ihre pseudowissenschaftlichen Blähungen auf eine unsichtbare Ebene heben, auf der das kritische Denken vom dort angeblich angesiedelten feinstofflichen- und neuerdings auch Quantennebel aufgesogen wird. Zum Abschluss ein Zitat Adenauers, auch aus dem Zusammenhang gerissen und auch allgemeingültig: Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, haben aber nicht den gleichen Horizont…..