Die Blutwurst ist die älteste Wurst der Welt. Im 18. Gesang von Homers „Odyssee“ finden sich folgende Zeilen (Antinoos spricht zu den Freiern im Hause des Odysseus): „Ziegenmägen liegen im Feuer, die wir zum Nachtmahl hingelegt, nachdem mit Fett und mit Blut wir sie füllten.“ Auch die Römer kannten Blutwurst und verzehrten sie anlässlich diverser religiöser Feste. Aus dieser uralten Tradition ist ein integraler Bestandteil der europäischen Küche geworden, der sonst in keinem Teil der Welt in dieser Form kultiviert wurde. Was den Islam mit dem Judentum vereint ist nämlich auch die Blutwurst, weil sie dort nicht vorkommt. Beide Religionen verbieten den Genuss von Blut. Außerhalb Europas ist dieses Gericht, wie schon erwähnt, weitgehend unbekannt. Ich erinnere mich an einen jungen Amerikaner, der bei uns als Austauschschüler zu Gast war: Bei der Vorstellung, Blut in Form von Würsten zu sich zu nehmen, bekam er fast einen epileptischen Anfall. Aber die meisten Europäer lieben die Blutwurst. Darin steckt wohl die uralte Erinnerung des Raubtieres an das warme Blut des Opfers…
Die Blutwurst heißt in Frankreich, woher ich gerade komme, und wo mir urlaubs- und ernährungsbedingt die Idee zu diesem Blogeintrag kam, le boudin noir. Dort gibt es auch noch die koloniale Variante – boudin noir antillais, die mit Ananas und Banane gereicht wird. In Belgien, das ich ebenfalls besuchte (Brügge sehen und Sterben – einer meiner absoluten Lieblingsfilme) gibt es die geschmacklich hervorragende Variante: Gebacken beuling mit karamelisieerte apeltjeens. (Sollte dann eigentlich heißen: Brügge sehen, Blutwurst essen und dann erst sterben). Davon unterscheidet sich die Darreichung der deutschen Variante, die unterschiedliche Lokalbezeichnungen hat – zb. Blootwoosch oder Flönz im Raum Köln/ Leverkusen, nur wenig. Auch sie gibt es mit Äpfeln und Zwiebeln. In Bayern, wo es sogar einen Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste gibt, wird die Blutwurst mit Senfsoße serviert, wahrscheinlich, damit die Weißwurst nicht neidisch wird. Die dänische Küche, deren Beiträge zur internationalen Gastronomie sonst eher dürftig sind, (Smörrebröd, Smörrebröd röm pöm pöm pöm) kennt die bloedpölse und die benachbarten Holländer die Bloedworst. Während die Luxemburger eine eigene, etwas aufgemotzte Wurst haben, die Traipen – der Blutwurstmasse wird Grünkohl zugesetzt. In Schweden heißt die Blunzn übrigens blodkorv und in Finnland wird die mustamakkara vor allem in der Gegend um Tampere als lokale Spezialität in Imbissbuden verkauft. Die polnische Variante: Kasanka gilt unter Polen sogar als typisch polnisches Gericht wie in Österreich das Schnitzel. Die Engländer, allen voran die Schotten, essen den black pudding bereits zum Frühstück und es gibt keinen schottischen Metzgerladen, der nicht in seiner Auslage mit einem „Award winning black pudding“ Werbung für diese Spezialität macht, die dort, neben Haggis (gefüllter Schafsmagen), eine bedeutende Rolle in der Ernährung spielt. Auf der iberischen Halbinsel gibt es die morcilla in Spanien und in Portugal ist die morcela neben dem allgegenwärtigen bacalhau (Stockfisch) ein Teil der traditionellen Hausmannskost. Italiener genießen eine sanquinaccio. Estland ist das Blutwurstland schlechthin: Speziell zu Weihnachten werden ca. 600 Tonnen! verspeist. In Litauen heißt die Wurst Crust und in Lettland ist sie unter dem Namen Asinsdesa mehr als gut bekannt. In Rumänien gibt es die Sangerete und in Bulgarien ist Blutwurst Teil des nationalen Eintopfgerichtes Kapama. Kroatien und Slovenien haben die Krvavica und die Slovakei hat eine Krvavicna, von der sich die Jelito in Tschechien vermutlich kaum unterscheidet. Auch die veres hurka in Ungarn ist nach dem gleichen Rezept bereitet. Auf Cypern wird, zumindest im griechischen Teil, die Sheftalia verzehrt und auf Malta gibt es die Mazzita. Wenn man jetzt bedenkt, dass der englische Black Pudding am 30. März 2019 die europäische Union wieder verlässt, weil wir uns auf intellektueller Ebene auf nichts Gescheites einigen können, dann liege ich nicht ganz falsch, wenn ich behaupte: Das Einzige, was wir Europäer wirklich gemeinsam haben ist, dass wir Schweineblut in Därme füllen. Das können wir aber gut, das macht uns so schnell keiner nach.