Dollfuß oder was man aus der Geschichte lernen kann

Der niederösterreichische SPÖ-Nationalratsabgeordnete Robert Laimer hatte auf Facebook ein Bild gepostet, in dem der Kopf von Sebastian Kurz auf eine Briefmarke mit dem austrofaschistischen Kanzler Dollfuß (1932 bis 1934) montiert war. Das stößt den Türkisen sauer auf, denn inzwischen ist der Engelbert Dollfuß dessen Bild bis vor Kurzem im Parlamentsklub der ÖVP gehangen hat nicht mehr respektabel. Er war nämlich autoritär und nicht neoliberal. Und autoritär wollen die Türkisen nicht erscheinen, denn sie sind alle jung und hipp und geil und haben mit autoritärem Verhalten nichts am Hut. Das überlassen sie ihrem Koalitionspartner.

Im Ständestaat von 1934 bis 1938 unter dem christlich-sozialen Kanzler Engelbert Dollfuß war das Parlament ausgeschaltet. Eine parlamentarische Geschäftsordnungskrise, ausgelöst durch den Rücktritt aller drei Nationalratspräsidenten am 4. März 1933, nutzte Dollfuß zu einem Staatsstreich. Seine Regierungspropaganda sprach von der „Selbstausschaltung des Parlaments“, in Wirklichkeit verhinderte er aber dessen Wiederzusammentreten. Bundespräsident Miklas, ebenfalls den Christlich Sozialen angehörig, blieb trotz Aufforderung untätig. In der Krise um die sogenannte „Selbstausschaltung des Parlaments“ im März 1933 unterließ es Miklas, von der Bundesregierung Dollfuß I den nötigen Vorschlag zur Auflösung des Nationalrates und zu Neuwahlen einzufordern bzw. die diesbezüglich untätige Regierung durch eine verfassungstreue zu ersetzen, was ihm nach der Verfassung jederzeit möglich gewesen wäre. Miklas wurde in einer ihm am 20. September 1933 von Karl Seitz, Karl Renner und anderen Sozialdemokraten übergebenen Petition aufgefordert, den Nationalrat wieder einzuberufen. Was er aber nicht tat. Ebenso unterließ er es, von der Regierung die nötigen Vorschläge zur Besetzung vakanter Richterposten im Verfassungsgerichtshof zu verlangen und war damit hauptverantwortlich für die Lahmlegung dieses Höchstgerichts. Miklas setzte den verfassungswidrigen Aktionen der Regierung auch sonst nichts entgegen. Durch seine Passivität – er ließ sämtliche, ihm von der Verfassung gegebenen Rechte, für eine verfassungstreue Regierung zu sorgen, ungenützt – ermöglichte es Miklas – wohl bewußt – Engelbert Dollfuß, den austrofaschistischen Ständestaat zu errichten.

Der Ständestaat stellte die Summe bürgerlicher Revisions- und Restaurationspolitik gegen die sozialen Errungenschaften der damaligen Zeit dar. Dollfuß regierte autoritär. Die Vaterländische Front war Staatspartei und die Gesellschaftsordnung war nach dem Führerprinzip organisiert. Es gab Anhaltelager für Regimegegner. Als Führer der Vaterländischen Front besetzte Dollfuß wichtige Ämter bevorzugt mit Mitgliedern des Cartellverbandes. ( Dollfuß war 1919 Mitbegründer der Deutschen Studentenschaft. 1920 stellte er als Vertreter der Franco-Bavaria auf der Generalversammlung des CV den Antrag, dass Mitglieder der Verbindungen „deutsch-arischer Abstammung nachweisbar bis auf die Großeltern“ sein müssten, also bis zur Generation der Großeltern keine direkten jüdischen Verwandten haben dürften). Das Bild von Dollfuß, der beim Juliputsch 1934 von den Nazis umgebracht wurde, hing bis vor Kurzem in Parlamentsklub der ÖVP, für die er Märtyrerstatus hatte, obwohl er ein Antisemit, Antidemokrat und Faschist war.
Sein späterer Nachfolger bei den Christlich-Sozialen – heute ÖVP,würde von sich nicht behaupten, dass er autoritär ist. Er würde sagen, er hätte nur in der Partei ein Durchgriffsrecht und im Parlament die Mehrheit. Was unterscheidet aber eine Partei mit Durchgriffsrecht von einer Führerpartei? Was unterscheidet den Ständestaat, mit einer Regierung , die aus Burschenschaftlern, die Dollfuß gefällig waren und erzkonservativen Katholiken bestand, von einer ÖVP, die im Wesentlichen aus Vertretern der Banken und der Wirtschaft besteht und deren Hintermänner im Industriellenverband das Geld für die Wahl locker gemacht haben? Das Durchgriffsrecht des Sebastian Kurz, hat immerhin den ÖAAB zum Schweigen gebracht. Arbeitervertreter in der ÖVP gibt es somit nicht mehr. Was unterscheidet den autoritären Ständestaat, der 1934 auf die Arbeiter schießen ließ, die sich gegen die faschistische Diktatur organisiert hatten, von einer Regierung, in der Exekutive, Legislative und Militär in der Hand eines rechtsextremen Koalitionspartners sind? Einem Innenminister, der sich mit einer berittenen Polizeieinheit – auf was eigentlich? vorbereitet. Soweit irgend möglich, besetzt diese rechtsextreme Partei zentrale Positionen im Staat mit Burschenschaftlern und Leuten, die nachweislich Verbindungen zu Neonazis haben. Zugleich schaltet diese Partei gleich am Anfang den Geheimdienst aus, der rechtsextreme Parteimitglieder im Visier hat.
Man stelle sich vor, Hofer wäre jetzt auch noch Bundespräsident, da würden wir wahrscheinlich wirklich schauen, was da alles möglich wäre. Da hätten wir die Geschäftsordnungskrise womöglich schon hinter uns.

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