Ich weiß, dass ich nichts weiß…..

Wissen, oder genauer gesagt Bildung, ist wie ein Netz, dessen Maschen mit allem neu Gelernten immer enger werden,  was dazu führt, dass  immer mehr Wissen in diesem Netz hängen bleibt.

Um Wissen zu erwerben, haben schon in der griechischen Antike die Philosophen die Logik bemüht und sie haben wissenschaftliches Arbeiten, wie wir es heute kennen, vorweggenommen. Die Messung des Erdumfanges durch Erathostenes um 240 vor Christi Geburt war so eine Leistung, die – von der Bildung einer Theorie über logisches Denken bis zum exakt geplanten wissenschaftlichen Experiment – diesen Prozess des Wissenserwerbes geradezu beispielhaft vollzieht. Ausgangspunkt war die Theorie, dass die Welt eine Kugel sei. Der Gedanke, dass die Erde kugelförmig sei, tauchte bereits um 600 v. Chr. in der ionischen Naturphilosophie bei Thales von Milet und Anaximander auf und im 4. Jahrhundert v. Chr. gab Aristoteles drei astronomische Beweise für diese Tatsache an. (Sämtliche schweren Körper streben zum Mittelpunkt des Alls. Da sie dies von allen Seiten her gleichmäßig tun und die Erde im Mittelpunkt des Alls steht, muss sie eine kugelrunde Gestalt annehmen./ In südlichen Ländern erscheinen südliche Sternbilder höher über dem Horizont. /Der Erdschatten bei einer Mondfinsternis ist stets rund).

Theorien entstehen dadurch, dass man Teilaspekte der Wirklichkeit nimmt und aus diesen Teilaspekten Rückschlüsse auf das Ganze macht. Theorien sind prinzipiell Vereinfachungen. Theorien sollen Übersicht in einer unübersichtlichen Welt ermöglichen, bevor sie vielleicht von einer anderen Theorie, die besser ist, überholt bzw. abgelöst werden. Das christliche Abendland leistete sich lange Zeit eine andere Art des Wissenserwerbes, nämlich: Alles steht in der Bibel. An die Stelle von Wissen trat Glauben. Das hat dazu geführt, dass spätantike christliche Autoren wie Lactans oder Johannes Chrysostomos die Scheibentheorie vertraten und darauf hinwiesen, dass die Kugelgestalt im Widerspruch zu biblischen Aussagen stünde. Dabei hätten ein paar exakt geplante Experimente genügt…

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Erkenntnisgewinn aus dem Internet, auf den sich viele Menschen stützen, aus dem sie ihr Weltbild zusammenbauen.  Wenig Wissen – also ein grobmaschiges Netz – trifft auf eine Fülle unüberprüfbarer Informationen. Die Maschen des Netztes sind weit und nicht besonders fest geknüpft.  Sowohl die Überprüfung der Fakten, der Einsatz der Logik als auch die Theoriebildung und Überprüfung im Experiment sind da nicht möglich und auch gar nicht gewollt. Was an Wissen fehlt wird durch Emotionen und einfache Glaubenssätze kompensiert.

Die Erziehung und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe in der Gesellschaft setzt Grenzen auch in unserem Denken. Ich sage es an einem unverfänglichen Beispiel: ein Barockmaler malt keine expressionistischen Bilder, obwohl er in seinen Gestaltungsmöglichkeiten frei ist. Das gleiche gilt für jeden von uns, wir können nur so weit denken, so weit unser momentaner Wissenshorizont reicht.  Aber wir haben die Möglichkeit uns dieser Grenzen bewusst zu werden.

Jeder, der a bissl a Ahnung von Biochemie hat, weiß, dass die Corona – Impfung genau so wenige oder so viele Nebenwirkungen hat, wie jede andere vorher bzw. deutlich weniger wie z.B. die Pockenimpfung einstmals hatte. Aber für die weniger Informierten ist es so wie im Mittelalter. Die Aufgeklärten sagten, es gibt keine Hexen, die Inquisition sagt: Natürlich gibt es Hexen, sonst würden wir sie nicht verbrennen. Ähnlich sieht die neue und gar nicht so kleine Gruppe der Impfgegner, geprägt von einer Mischung aus Halbwissen, Esoterik und Verschwörungstheorien auf die Impfpflicht.  Wir wären nicht dagegen, wenn wir nicht unsere selbst gefertigten Angstszenarien hätten.

Leider führt diese Art von Information nicht zu einer Diskussion, zu einer Hinterfragung des eigenen Standpunktes oder zur Überlegung, was in der Welt wahrscheinlicher ist, nämlich ob ein Virologe mehr weiß als einer, dessen wissenschaftlicher Werdegang  mit einem abgebrochenen Philosophie-Studium endet.

Einer der Knackpunkte liegt auch in der Einschätzung von Gefahren. Die Ärzte in den Spitälern zählen die Toten und versuchen Intensivkapazitäten für andere Schwerkranke zu sichern. Die anderen glauben, solange sie selbst nicht erkranken, es handelt sich um eine Grippe und die Impfung sei der erstmals in der Geschichte vollzogene, großangelegte Völkermord durch Genveränderungen und demonstrieren mit religiösem Eifer gegen die Ansicht der Wissenschaft, attackieren Ärzte und veranstalten Randale in Krankenhäusern. Man denkt unwillkürlich an die Zerstörung des Serapeions* und der Bibliothek in Alexandrien im Jahr 391. n.Chr.  durch einen religiösen Mob, und an Galileo Galilei und Giordano Bruno.  Scheint weit hergeholt, hat aber dieselben Wurzeln: Fanatismus, religiöse (politische) Einpeitscher und ein Weltbild, das von Parapsychologie geprägt ist. Man fragt sich, ob wir tatsächlich im 21. Jahrhundert leben. Dabei sind die meisten von denen nicht einmal in der Lage, das Experiment, mit dem Erathostenes vor bald 2300 Jahren den Erdumfang berechnet hat, geistig nachzuvollziehen.

*Das Serapeion war ein Tempel für den Kult der antike Gottheit Serapis. Das war eine Gottheit, die Züge der ägyptischen Gottheiten Osiris und Apis, sowie der griechisch-römischen Hauptgötter Zeus, Jupiter und Hades enthielt. Als der griechische General Ptolemaios I. die Nachfolge des Alexander des Großen antrat, war ihm wohl bewusst, dass er die Ägypter und die zahlreichen Griechen am besten mit einer gemeinsamen Religion verbinden konnte. Also erfand er den Gott Serapis, der Attribute beider Kulturen vereinte und errichtete ihm einen Tempel. Zusätzlich richtete er dort eine Zweigstelle der berühmten alexandrinischen Bibliothek, die nur den Gelehrten zugänglich war ein, damit auch das einfache Volk mit Literatur vertraut wurde und sich bilden konnte.

Eratosthenes – Genie der Antike, Kartografie – Ordnungssysteme – Gesellschaft – Planet Wissen (planet-wissen.de)

Das Zitat des Sokrates hieß übrigens: Ich weiß, dass ich nicht weiß.

Nicht das Nichtwissen war damit gemeint. Vielmehr folgte Sokrates den philosophischen Grundsätzen und hinterfragte das, was vermeintlich da ist – das Wissen. Woher möchte der Mensch wissen, dass er ganz sicher etwas weiß? Es kann sich genauso gut nur um eine Vorstellung, eine Ansicht handeln, die nicht eindeutig bewiesen ist und somit vielleicht auch gar nicht existiert. Derjenige glaubt aber zu wissen, dass er dieses Wissen hat. In Wirklichkeit handelt es sich nur um eine Ansicht…………………..

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Ein Gedanke zu “Ich weiß, dass ich nichts weiß…..”

  1. Lieber Fred,

    Als kleine Ergänzung erlaube ich mir folgende, streitbare Anmerkung:
    In den letzten 18 Monaten habe ich die Österreichische Seele genauso lieben wie auch hassen gelernt. Mit jedem „Lockdown“ mit jeder „Verordnung“ tritt das zu Tage, was uns und unsere Mitbürger dem Grunde nach ausmacht.
    Wir sind skeptisch, aber hörig; wir sind Politik-verdrossen, aber Linien-konform soweit es die häusliche/elterliche Linie zulässt; wir mögen keine Ausländer, aber der Miro von nebenan ist „eh a Hawara“; wir wollen Mitsprache, aber erwarten Entscheidungen von Entscheidungsträgern und sind am Ende unzufrieden damit; wir gehen – wie du folgerichtig bemerkt hast – über Jahrzehnte impfen, aber weils im Internet steht machen wir uns ins Unterhemd wegen einer spezifischen Imfpung; wir wollen die Umwelt schützen, aber absolut keiner will sein (Luxus-)Vehikel hergeben.

    Frag‘ einen Österreicher nach dem Vorteil den uns die EU im EWR/global gebracht hat und whsl. 75% erklären dir was von Gurkenkrümmung, Leistungsreduktion bei Staubsaugern und Energiesparlampen. Dass JEDER davon keine Import-/Exportzölle zahlt, dass JEDER davon einfach nach Deutschland pendeln kann, dass JEDER davon DBA mit etlichen Staaten genießt – juckt das wen?

    Wir – als Österreicher – beschweren uns lieber darüber, dass wir GERADE in Suben kontrolliert werden KÖNNTEN (was faktisch in einem einstelligen Prozentbereicht passiert).

    Und parallel dazu teilen Andere Beschwörungen die an die Menschlichkeit (in Bezug auf Inklusion von Ungeimpften) appelieren bzw. daran auch die Meinungen zu akzeptieren. Ich akzeptiere deren Meinung, das heißt aber nicht, dass ich sie teile. Noch weniger, dass ich sie gutheiße.

    Ich wünsche mir nicht mehr Diskurs, ich wünsche mir persönlich mehr Bildung und Aufklärung!

    Fred, bitte mach so weiter, weil du damit etwas unaufgeregt aber fundamental beiträgst!

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