Toleranz

Man darf intolerante Menschen nicht tolerieren, sagt Karl Popper. Sonst stirbt die Toleranz mit ihnen. Intolerante Menschen sind solche, die anderen Menschen Gewalt androhen oder sogar Gewalt ausüben oder solche, die den Diskurs verweigern. Ich würde sagen, auch solche, die Fakten verweigern und die Wissenschaft als solche diskreditieren, weil sie der Meinung sind, dass ihre Meinung, ihre Befindlichkeit wichtiger und gültiger ist als die der Allgemeinheit. Hier gilt nicht mehr: Der Klügere gibt nach. Hier ist das Ende der Fahnenstange. Wir stehen vor dem Phänomen, dass die Intoleranten Toleranz für ihre Intoleranz fordern. Wir stehen vor dem Phänomen, dass diejenigen, die für absolute Intoleranz stehen – Alt – und Neonazis – mit allen ihren Randgruppen ein Feld gefunden haben, auf dem sich ein Potential an Wut und Irrationalität entfachen lässt, das tatsächlich die Gesellschaft in zwei Lager teilt – ein sehr großes und ein sehr kleines. Letzteres aber auf Grund seiner Lautstärke und seines Drohpotentials bald mehr Beachtung findet als die Mehrheit. Die Maßnahmenverweigerer sagen: Die Mehrheit ist intolerant. Und sie begründen das, mit einer selbst konstruierten Faktenlage, die aus leicht falsifizierbaren Vermutungen, Gemeinplätzen und unhinterfragten nebulösen Verschwörungsszenarien besteht. Sie beklagen, dass man sie zu etwas zwingen will – womöglich mit Gewalt. Sie setzen Gerüchte in Umlauf, um die Stimmung und die Wut der weniger Informierten anzufeuern. Dabei nehmen es Politiker trotz besseren Wissens mit der Wahrheit nicht mehr genau. Es beginnt mit der unwahren Behauptung, dass mehr Geimpfte als Ungeimpfte in den Krankenhäusern liegen, dass die Impfung nicht wirkt und einer Zusatzinformation  für die ganz Dummen, dass bei Demos aus den Kanaldeckeln heraus geimpft wird. Dass in der Schweiz Impfgegner bereits in Konzentrationslager gesteckt werden ist auch gerade im Trend. Alles leicht zu überprüfen, aber die Masse der Impfgegner überprüft es nicht. Sie sind bereits im Bereich des Religiösen angelangt. Glauben bedarf keiner Überprüfung. Somit ein leichtes Spiel für   politische Einpeitscher, die eine Jahrhundertchance wittern.                                                                                                      

Rechtsextreme und Identitäre stehen bei den Demos in Wien, Linz und Graz in  der ersten Reihe und irgendwo wuselt immer der Neonazi Gottfried Küssel mit seinem Stab an Getreuen herum und organisiert den Vormarsch. Die schiere Anzahl von Teilnehmern scheint   beeindruckend. Zustande kommt sie, weil Neonazis aus Bayern, Tirol und der Slowakei mitmarschieren und weil die FPÖ organisatorisch mithilft. Auf den Transparenten sind immer die gleichen einfältigen Motive zu lesen. Der Bevölkerungsaustausch wird beschworen. In Verbindung mit antisemitischen Chiffren und dem  Hinweis auf Globalisierung und omnipotente Pharmaindustrie wird die „Giftspritze“ verdammt. Rechtsradikale und Identitäre nutzen die Gunst der Stunde, um einmal einer Volksmenge vorauszumarschieren und bestimmen die Parolen und genießen es, dass die Masse der mitmarschierenden „Normalos“ und Esoteriker von ihnen organisiert wird und nach ihrer Pfeife tanzt. Eine einzigartige Chance, das  Thema Corona für ihre rechtsextreme Agenda zu nutzen. Die Schafe, die sie anführen, sind zum Teil wirklich gutbürgerlich, um nicht zu sagen spießbürgerlich. Eine breite Palette von Menschen mit medizinischem oder wissenschaftlichem  Halbwissen,  wie Masseure, Hebammen, anthroposophisch oder homöopathisch orientierte Mediziner, Biobauern, Esoteriker, Waldorflehrer, marschiert neben Frustrierten und Ängstlichen, neben Leuten die Rabatz machen wollen und sich in ihrer Rolle als Widerständler gefallen und zahlreichen FPÖ- Parteigenossen und alle zusammen marschieren sie hinter den Neonazis her. In der Folge verteidigen sie sich damit, dass soooooo viele ganz normale Leute da mitgehen und dass sie von Neonazis nichts gemerkt haben.

Seid ihr blind? Leute, es ist nicht normal, dass man mit Neonazis marschiert. Es ist auch nicht normal, dass man nicht merkt, dass man von Nazis dirigiert wird. Wie naiv seit ihr eigentlich? Egal woran ihr glaubt, aber das ist durch absolut nichts zu rechtfertigen. Ihr leistet diesen Typen, die auf eure Freiheit scheißen, wenn es drauf ankommt Vorschub und gebt ihnen die Rechtfertigung für Gewaltakte die es wohl bald einmal geben wird. Und wahrscheinlich wird der eine oder andere von euch sogar stille Genugtuung empfinden, wenn so etwas passiert. Dann steht ihr aber schon  außerhalb der Gesellschaft.

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