Messie

Die Natur kennt keine äußere Ordnung. Nur eine innere Ordnung auf atomarer/molekularer  Basis, die dazu dient, das Leben zu organisieren. Ansonsten lässt sie Bäume umfallen und Flüsse über die Ufer treten oder Blitze – einem Zufall folgend – treffen, was gerade in Reichweite ist. Natürlich folgt auch das der inneren Ordnung und einem Ablauf, bedingt durch die Gesetze der Physik. Aber nach außen erscheint uns Menschen das alles chaotisch und hat mit der Ordnung, die der Mensch zu schaffen trachtet, nichts gemein. Wenn jemand ein Haus baut, dann hat er der Natur schon ein Stück von der Ordnung abgerungen, die dem Menschen eigen ist. Penibel, Ziegel auf Ziegel, immer schön im Lot, damit die Mauern nicht umfallen und manchmal für tausende Jahre existieren. Auch im Haus sorgt er für Ordnung. Wer ein Haus bewohnt braucht ein System der Ordnung. Das beginnt mit der Aufteilung der Zimmer und setzt sich fort in den unendlich vielen Dingen, die wir heute benutzen und die sich in unseren Häusern ansammeln. Manche Menschen verlieren im Lauf ihres Lebens den Überblick und vielleicht auch die Kraft, diesen vielen Dingen einen Platz zuzuweisen. Da stapeln sich dann unendliche Mengen von Unnützem. Oft sind diese sinnlosen Dinge Ersatz für andere Bedürfnisse. Oft sind ganze Häuser angefüllt mit Unnötigem, Dinge, die sich keiner Ordnung mehr unterwerfen lassen und außer Kontrolle geraten. Menschen, die in solchen Verhältnissen leben, nennen wir Messies. Die genaue Diagnose (ICD – 11 6B24) bezeichnet Menschen, die Dinge des täglichen Gebrauchs exzessiv sammeln und ihnen einen Wert beimessen, den sie nicht haben. Häufig damit verbunden ist auch eine Kaufsucht, mit der bekannten Folge, dass ganze Häuser unbewohnbar werden.

Nun drängt sich bei Betrachtung menschlicher Aktivitäten und deren Folgen, angesichts ungeheurer Mengen von nutzlosen überbewerteten Dingen, die wir in unserem gemeinsamen Haus Erde ansammeln, der Vergleich förmlich auf. Wir produzieren und konsumieren –  der Religion von der unbedingten Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums folgend – in einem zerstörerischen Ausmaß Waren, die wir nicht wirklich brauchen und horten immer mehr davon. Dazu kommen die ungeheuren Mengen von Müll, die wir überall verstreuen, vergraben und in die Weltmeere kippen. Plastikflaschen und Kanister, Eimer,  Becher, Sandalen, Folien, die auf jeder Insel im Weltmeer, und sei sie noch so klein, angeschwemmt werden oder in unübersehbaren Mengen durch Meeresströmungen konzentriert werden. Da sind die Auswirkungen von Mikroplastik, das sich zusehends in unserer Nahrung anreichert, noch gar nicht erwähnt. Wir sind dabei unser Haus unbewohnbar zu machen und wie jeder psychisch Kranke nicht in der Lage zur Einsicht. Irgendwann, in den letzten hundert Jahren ist die menschliche Gesellschaft an einer kollektiven psychischen Störung erkrankt: ICD-11 6B24, der Ordnung halber.

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