Eine Veranstaltung wie jede andere….

 In der Stadt Wels wurde ein Regenbogen-Zebrastreifen mit Hassparolen gegen Homosexuelle beschmiert. Der Bürgermeister beteuert, dass habe nichts mit seiner Partei, der FPÖ, zu tun.  Der Bürgermeister hat auch gesagt, dass sein Großvater von den Nazis verfolgt wurde. In Wahrheit war der Großvater schon 1921 der NSDAP beigetreten und wurde von der Gestapo wegen finanzieller Unstimmigkeiten im Diözesanverlag St. Pölten verhaftet, dessen Leitung er nach dem Anschluss als Belohnung bekommen hatte.*1. Aber eigentlich geht es darum nicht. In Wels findet an diesem Wochenende der „Burschentag„  statt.*2                                        

Die deutschnationalen Mittelschülerverbindungen des Österreichischen Pennäler Rings (ÖPR) treffen sich an diesem Wochenende in Wels. Rund 700 Teilnehmer werden erwartet.  Das Treffen wird von der schlagenden Verbindung Gothia veranstaltet, bei der auch Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner Mitglied ist. Burschenschaftler sind nicht einfach bürgerliche Traditionalisten, als die sie sich gerne darstellen, sie stehen vielfach extrem rechtem Gedankengut nahe und  spielen in der  FPÖ eine nicht unwesentliche Rolle. Der Burschentag wird von der Stadt Wels, die auch die Stadthalle gratis zur Verfügung stellt,  finanziell gefördert und es gibt einen Empfang beim FPÖ_Bürgermeister. Auf den extremistischen Hintergrund angesprochen meint der Bürgermeister: „Das ist eine Veranstaltung wie jede andere auch“.

In Österreich haben die schlagenden Burschenschaften ungefähr 3000 Mitglieder. Die österreichischen schlagenden Burschenschaften sind allesamt rechtsnational bis rechtsextrem und frönen einem Geschichtsbild, das im Wesentlichen aus der Verklärung ihrer eigenen und der „teutschen Geschichte“ besteht. In einer Reportage über Burschenschaftler kam Diether Podgorscheck, Sohn des Elmar Podgorscheck, der ehemals  Landesrat in Oberösterreich war und durch seinen illustren Vortrag bei der AfD aktenkundig wurde, zu Wort*3. In seiner Funktion als Vorsitzender des Wiener Korporationsrings erklärte er, dass die Tradition des Waffentragens unter Studenten dadurch zustande kam, dass sie sich auf dem Weg zur Universitätsstadt gegen Räuberbanden verteidigen mussten. Der Ursprung sei also demnach der bewaffnete Schulweg gewesen.
Das stimmt so nicht ganz. Tatsache ist, dass ab der frühen Neuzeit das Studium zunehmend eine Angelegenheit der begüterten Gesellschaftsschichten war. Das Bild der Universitätsstädte bestimmten vornehme junge Männer, die ihrer gesellschaftlichen Stellung durch entsprechende Kleidung und oft auch anmaßendes Benehmen Ausdruck verliehen. Dazu kam, dass ab Mitte des 15. Jahrhunderts in Spanien aus dem mittelalterlichen Schwert eine kleinere Form der Fechtwaffe entstand – der Degen, die nun auch von Zivilisten im Alltag herumgetragen werden konnte und sich europaweit als Standard-Ausstattung eines vornehmen Herrn einbürgerte, (Galanteriedegen). Im Jahr 1514 erlaubte Kaiser Maximilian I. von Habsburg den Studenten das Tragen dieser Waffen ausdrücklich als Zeichen ihrer gehobenen Gesellschaftsposition. Das Ganze war also eher aus Angeberei und Standesdünkel entstanden als zum Selbstschutz und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Burschen fühlen sich als was Besonderes, Mitglieder einer Elite, auch wenn sie noch so versoffen und unterbelichtet sind. Wenn man ein Schwert oder einen Degen sein Eigen nennt, dann muss man das gute Stück natürlich auch benutzen und wenn irgend nötig jemanden damit aufspießen. Testosteron, damals wie heute die Lieblingsdroge junger Männer, führte zu zahlreichen Duellen mit zahlreichen Toten. Der letzte bekannte Zweikampf mit tödlichem Ausgang geschah am 28. Januar 1933, als sich bei einer Mensur zwischen der Burschenschaft Holzminda und der Burschenschaft Alemannia in Göttingen ein Unfall ereignete, bei dem sich der Schläger des Holzminden unter dem Nasenblech des Alemannen verfing und ins Gehirn eindrang. Die Gesetzgeber, auch die Nazis im Dritten Reich, wollten dem Einhalt gebieten. Man wollte ja potentielle Kriegsteilnehmer nicht schon vor ihrem möglichen Einsatz verlieren. So wurden diese ritualisierten Zweikämpfe entweder verboten oder zumindest so gestaltet, dass keiner mehr zu Tode kam. Daraus wurde die Sage gewoben, die Burschenschaftler seien von den Nazis verboten worden.   Die Mensuren werden heute in einer Schutzmontur, die nur den unwesentlichsten Teil des Körpers, nämlich den Kopf frei lässt, geschlagen. Sie gelten als männliche Ertüchtigung, um Charakterfestigkeit und Mut herauszubilden. Viel eher trifft aber zu, dass diese Testosteron-geschwängerten Mannbarkeitsrituale autoritäre Denk- und Verhaltensweisen fördern und Charakterstrukturen wie Brutalität, Indifferenz gegenüber den Empfindungen anderer und Missachtung des Individuums betonen. Das ist aber auch gewollt. Wenn es anders wäre, würden wohl auch Frauen auf dem Paukboden stehen. Das wäre eine echte Mutprobe für die Burschis – wenn ihnen nämlich eine geübte Fechterin mit dem Säbel einen Scheitel zöge. Aber soweit reicht die Schneid dann doch nicht. Da saufen sie lieber einen Bierjungen. Was nun das Geschichts- und Weltbild betrifft, so ist dieses ein sehr einfaches: Wir waren und sind immer die Guten, fertig aus. Alle anderen – früher die Juden, heute der Islam bzw. jeder „Ausländer“ – werden einerseits als unterlegen aber andererseits als Aggressor betrachtet. Ein Weltbild also, das dem politischen Entwicklungsstand des Cro-Magnon-Menschen am Ende der Eiszeit entspricht.

*1 Welser Stadtchef Rabl mit lückenhafter Großvaterlegende – Panorama – derStandard.at › Panorama

*2 Burschentag Wels – 38 ÖPR Burschentag (burschentag-wels.at)

*3 Der 7-Punkte-Plan der FPÖ: So greift die Partei im Staat nach der Macht (kontrast.at)

https://www.tt.com/politik/innenpolitik/15259579/hitlergruss-bei-burschenschaft-bild-zeigt-offenbar-fpoe-mitglied

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