Kinder üben Verhalten, indem sie so tun, als ob sie Polizist oder Kaufmann wären, manchmal spielen sie Vater und Mutter oder tun so, als ob sie Lokomotivführer wären. Schauspieler tun so, als ob sie im Krieg wären oder als ob sie eine berühmte Persönlichkeit wären, zum Beispiel Präsident eines Landes, der vor wichtige Entscheidungen gestellt wird. Kinder gehen in ihren Rollen auf und das Zusammenwirken von Phantasie und spielerischer Erfahrung ermöglicht es ihnen, ein Verständnis für die Dinge der Welt zu entwickeln. Gute Schauspieler können uns jene magischen Momente vermitteln, in denen wir emotional berührt werden und eine tiefere Einsicht in menschliches Handeln gewinnen.
Schlechte Schauspieler tun so, als ob ein Referendum für den Anschluss an Russland auf einer reellen Abstimmung beruhen würde, und glauben damit eine Legitimation zu haben, den Rest der Welt zu brüskieren, obwohl sie natürlich wissen, dass das alles nicht stimmt. Sie sagen nicht: Ich nehme mir jetzt mit Gewalt einen Teil der Ukraine und tu so, als ob die Menschen dort darauf gewartet hätten.
Andere tun in guten Zeiten so, als ob Gewinne ihrer Tüchtigkeit und ihrem untrüglichen Sinn fürs Geschäft zu verdanken wären und als ob die Gesetze des Marktes über allem stünden, während sie in schlechten Zeiten so tun, als ob sie von den Gesetzen des Marktes noch nie etwas gehört hätten und als ob sie schon immer Fans der sozialen Hängematte gewesen wären, obwohl sie die ihnen entstandenen Mehrkosten durch die „Krise“ an die Kunden weitergeben haben, so also als ob sie echte Kapitalisten wären. Sie sagen nicht: In guten Zeiten bringe ich die Gewinne, die von meiner Belegschaft erwirtschaftet werden auf Malta in Sicherheit und in schlechten Zeiten lasse ich mich vom Staat mit Millionen unterstützen.
Alle tun so, als ob sie aus Respekt vor der Menschenwürde der Afrikaner das Wort Neger nie wieder verwenden würden oder gendern fröhlich vor sich hin, als ob sie Frauenrechte schon mit der Muttermilch eingesogen hätten. Aber dann tun sie wieder so, als ob der unterseeische Friedhof im Mittelmeer sie nichts anginge, als ob es egal wäre, wenn tausende Menschen ertrinken und als ob es nicht zu verhindern wäre, dass fast jede Woche in Österreich eine Frau umgebracht wird. Und sie sagen nicht: Wir tun so, als ob wir menschlich wären, aber in Wahrheit sind uns diese Schicksale vollkommen gleichgültig.