Der grandios spannende Film- The Revenant- für den Alejandro Inarritu den Regie-Oscar bekam, enthält alle Elemente einer klassischen Tragödie. Verrat, Mord, Gier, der Kampf ums Überleben unter schwierigsten Bedingungen, Rache und die gerechte Strafe für diejenigen die sich schuldig gemacht haben.
Das alles ist harmlos im Vergleich mit der österreichischen Innenpolitik. Die Rückkehr der SPÖ – wenn diese Rückkehr den gelingt – drängt sich zum Vergleich auf: Von einem sinistren Emporkömmling mit unlauteren Methoden von der Macht verdrängt, musste die Partei mitansehen, wie alles rundherum im Sumpf der Korruption versank. Angefangen von den Intrigen des Kurz gegen die eigene Partei bis zu dessen Wahlsieg, der nicht zuletzt durch eine enorme Überschreitung der erlaubten Wahlkampfkosten und einen Pakt mit den von der ÖVP mit Staatsgeldern bezahlten Boulevardmedien, zu Ungunsten der SPÖ ausging. Dann die ÖVP- Koalition mit den allseits inkompetenten Blauen. Die Ereignisse um den IBIZA Skandal, gefolgt von weiteren Skandalen, die die Republik zum Wackeln brachten. Und die SPÖ stand abseits, ohnmächtig und nicht in der Lage, mehr zu tun als zu jammern. Zudem ein kathartisches Erlebnis, das die ureigensten Tendenzen zu Machtmissbrauch und Korruption, die auch der SPÖ nicht komplett fremd sind, in Erinnerung ruft. Ein Menetekel – Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut – das sollte jetzt ein für allemal für die Sozialdemokratie klar sein. In der Folge kommt der innere Zwiespalt der Partei in eine heiße Phase. Und es gelingt nicht, den Konflikt nach außen als normalen Vorgang in einer Demokratie, wo aus verschiedenen Meinungen ein Kompromiss entstehen muss, darzustellen. Zu eigensinnig agieren die Beteiligten, zu offen wird der Konflikt ausgetragen. Erstaunlicherweise hat das alles bei weitem mehr Sensationscharakter als die heimtückischen Manöver eines Sebastian Kurz oder Wolfgang Sobotkas, von denen die Öffentlichkeit nichts ahnte, die aber letztlich mit gefälschten Meinungsumfragen und mit Hilfe korrupter Journalisten zum Sturz von Reinhold Mitterlehner führten.
So weit war ich gestern im Text, als ich auf mein Handy blickte und las: Babler doch SPÖ Parteiobmann. Stimmen falsch zugeordnet….
Die Tagespresse schreckt vor nichts zurück, war mein erster Gedanke und schau sicherheitshalber beim ORF und beim Standard nach und siehe da: Die SPÖ hat es geschafft alle Aufmerksamkeit für die nächsten Tage auf sich zu lenken, indem sie sich grandios blamiert. Die anderen Parteien feixen und genießen ganz offensichtlich die Blamage. Kreisky rotiert im Grab und Victor Adler beruft unter den Exparteiobmännern im Jenseits einen Sonderparteitag ein….ein befreundeter Historiker aus Deutschland schreibt, er hätte geglaubt in Österreich könnte ihn nichts mehr überraschen….dann das…
Nun kann man natürlich zu Recht in die allgemeine Heiterkeit miteinstimmen und noch eins draufgeben. Gelächter war auch meine erste Reaktion. Aber ich versuch zu verstehen, was da passiert und welche Folgen das hat.
Die Spö hat in den letzten paar Jahren eine bemerkenswerte Serie von selbstschädigenden Aktionen, die ihren bisherigen Höhepunkt in dieser Wahlgroteske haben, vorzuweisen. Man könnte das unter Pleiten, Pech und Pannen abhacken und dazu aber betonen, es geht dabei weder um Fincas auf IBIZA, schmutzige Zehennägel, Sporttaschen voll Geld oder um vom Finanzamt bezahlte Studien für die Partei. Also soweit ist der Skandal kein Skandal. Trotzdem müsste man davon ausgehen, dass dieser politische Seppuku tatsächlich mit dem Ausbluten der Partei endet. Aber die Partei wird nicht ausbluten, im Gegenteil. An die 9000 neue Parteimitglieder haben sich vor der Abstimmung angemeldet oder zurückgemeldet. Ob dafür Babler der Hauptgrund war, lässt sich nicht sagen, aber das allein zeigt, warum die Partei nicht untergehen wird. Sie wird nämlich gebraucht, und zwar dringender als je zuvor. Auch wenn sich jetzt alle ausschütten vor Lachen über so viel Trottelhaftigkeit. In der SPÖ gibt es Menschen, die für Werte stehen, auch wenn sie jetzt der Lächerlichkeit preisgegeben wurden oder als Marxisten beschimpft werden. Ich kann also nur raten, sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich vertraut zu machen. denn sie war es, die Österreich zu einem freien und friedlichen Land gemacht hat.
Und was sind die Alternativen:
Herbert Kickl, der klipp und klar sagt, dass er eine illegitime Demokratie a la Ungarn schaffen will, mit ihm als führendem Kopf. (Österreich wäre dann hirnlos). Wenn er an die Macht kommt, färbt sich Österreich braun. Das muss allen bewusst sein. Später gibt es keine Entschuldigung.
Die ÖVP, weit davon entfernt ihre Schuld an den Geschehnissen der letzten Jahre einzusehen, in zahllose Untersuchungs- und Strafverfahren verwickelt und geübt in jeder Form der Wählertäuschung, um an der Macht zu bleiben – siehe Salzburg, siehe Niederösterreich – zeigt gerade, wie unglaublich unbeweglich sie ist und wie wenig sie die tatsächlichen Probleme der überwiegenden Mehrheit in diesem Land interessieren. Ihre Agenda ist und bleibt es, Gesetze für die Eliten durchzudrücken.
Ich traue es Babler zu, dass er klar macht, dass man humanitäre Prinzipien nicht einfach aufweichen kann, um den Populisten, die seit Jahren damit erfolgreich sind, das Wasser abzugraben. Dass es einen Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus gibt und der Nationalismus niemals defensiv ist, sondern immer aggressiv und militant. Und, dass eine Anbiederung beim neoliberalen Großkapital unweigerlich den Verlust des Vertrauens in weiten Kreisen der arbeitenden Bevölkerung zur Folge hat. Natürlich sind die Zeiten des Klassenkampfes vorbei, aber die Sozialdemokratie steht vor einer der wichtigsten Herausforderungen seit ihrem Bestehen. Sie muss alle Kräfte bündeln, um zu beweisen, dass sie es besser kann, dass sie dafür steht, allen Menschen die gleichen Chancen zu eröffnen und, dass sie sich nicht kaufen lässt. Sie muss weitreichende Konzepte entwickeln und damit einen Weg zwischen der wirtschaftlichen Stabilität einerseits und den drängenden Problemen das Umweltschutzes finden und darüber hinaus in erster Linie für eine gerechte Verteilung der Reichtümer dieses Landes sorgen. Wer glaubt, dass die FPÖ oder ÖVP das tut, hat die letzten Jahre verschlafen.
Ein von Menschen getragenes politisches Bündnis ist immer ein Experiment, etwas das ununterbrochen in Entwicklung ist. Genau wie die von Andreas Babler verunglimpfte EU nie fertig sein wird, sondern sich immer nur weiterentwickelt und dabei einmal rechts und einmal links in den Graben fällt, um dann irgendwann ungefähr zu wissen, wo die Mitte des Weges ist. Nehmen wir das also auch für die SPÖ an, dass sie nach dieser Ochsentour jetzt ungefähr ahnt, wo die Mitte des Weges ist. …..