Mit dem ersten Gebet in der Hagia Sophia seit 86 Jahren hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit einem wichtigen Vermächtnis von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gebrochen – nämlich der Trennung von Religion und Staat. Schon seit Jahren ist Erdogan dabei, Atatürks säkulare Reformen zurückzudrehen und aus der Türkei einen Staat zu schaffen der vom Islam bestimmt und von der AKP regiert wird.
Aus dem österreichischen Parlament ein Gebetshaus zu machen, und öffentlich anzukündigen, dass die Kultusministerin Susanne Raab am 8. Dezember – einem wichtigen katholischen Feiertag – aus der Bibel vorliest und alle anderen Religionsgemeinschaften daran teilnehmen dürfen, das ist ein Schritt, der die selben Tendenzen verfolgt, wie die von Erdogan gegründete AKP. Ob die Türkisen sich das zum Vorbild nehmen und – einzigartig und erstmalig in der zweiten Republik – das Parlament und somit den Staat mit ihrer religiösen Ergriffenheit beglücken – oder sollte man sagen in Geiselhaft nehmen – oder ob die Angst vor Corona bei Wolfgang Sobotka irrationale Reflexe anregt, ist bis dato nicht klar. Fest steht, dass heute im Parlament nicht nüchtern über Notwendiges gesprochen wird, sondern die Regierung – allen voran Wolfgang Sobotka – ihr Heil im Gebet sucht.
Ich gehe einmal davon aus, dass die Engelbert-Dollfuss-Ikone in einer geheimen feierlichen Prozession in den ÖVP- Parlamentsclub zurückgebracht wurde und die türkisen Minister davor täglich eine Morgenandacht halten und mehrmals wöchentlich der heilige Geist erscheint und, dass Sobotka dann in Zungen redet, während ein kleine Flamme über seinem Kopf schwebt…..